PTBS nach Sepsis

Eine Sepsis, allgemeiner bekannt unter dem Begriff Blutvergiftung, ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, bei der das Immunsystem des Körpers auf eine meist zunächst lokale Infektion überreagiert und es zu einer sehr schweren Allgemeininfektion kommt. Die Folge sind unter Umständen schwere physische Schäden an verschiedenen Organen, die schlimmstenfalls auch als Organsystem versagen können. Eine Sepsis stellt die zweithäufigste Todesursache auf Intensivstationen dar. Es kommt zu rund 75.000 Todesfällen jährlich alleine in Deutschland. Betroffen sind Menschen aller Altersgruppen, insbesondere jene mit geschwächtem Immunsystem, beispielsweise nach Operationen, durch Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Krebs.

Die Gesamumstände einer Sepsis nicht zuletzt die potenzielle Lebensgefährlichkeit führen dazu, dass auch die Prävalenz für psychische Folgen hoch sind, hier vor allem PTBS und Depressionen.

Eine jüngst auf dem Kongress des European College of Neuropsychopharmacology veröffentlichte Studie zeigt zum Beispiel für wegen einer Sepsis auf der Intensivstation behandelter Kinder ein deutlich erhöhtes PTBS-Risiko. In einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 4,6 Jahren zeigte ein Drittel Anzeichen einer PTBS, einige noch nach 7 Jahren.

Hierzu auch ein Projekt der Freien Universität Berlin zu einer Online-Therapie für Patienten mit PTBS nach schwerer Sepsis. Hier wird für Erwachsene eine Prävalenz von 70 % für betroffene Erwachsene angegeben, die klinisch relevante Symptome einer PTBS entwickeln, und immerhin  noch 62 % für die jeweiligen Lebenspartner.

Behandlungstrauma, Behandlungsunfall, Behandlungsfehler

Wer sich mit psychischen Folgen eines Behandlungstraumas beschäftigt, muss das Problem zunächst eingrenzen. Dazu gehört auch einige zentrale Begriffe zu beschreiben. Der „Behandlungsfehler“ als Begriff ist durchaus gängig. Das bedeutet aber keinesfalls, dass es dafür eine einheitliche Definition gibt. Daneben verwenden wir noch die Begriffe Behandlungstrauma und Behandlungsunfall, die weniger bekannt sein dürften. Daher hier eine begriffliche Näherung, die wichtig ist, damit man sich über Dinge angemessen verständigen kann. Das gilt ganz besonders dann, wenn Begriffe auch emotional besetzt sind.

Zu weiteren Begriffen werden wir im Laufe der Zeit ein Glossar entwickeln.

Behandlungsfehler

Behandlungsfehler, Ärztepfusch, Kunstfehler – verschiedene Begriffe, die weit gehend das Gleiche meinen, bei deren Verwendung aber sehr unterschiedlich Emotionen und Wertungen mitschwingen. Uns ist an einer sachlich-konstruktiven Auseinandersetzung mit dem Thema gelegen. Daher wird der Begriff Ärztepfusch hier keine Verwendung finden. Auch die Bezeichnung Kunstfehler lehnen wir ab. Während der „Pfusch“ nachlässig bis vorsätzliches Handeln impliziert, ist dies beim „Kunstfehler“ sprachlich reduziert auf eher fahrlässiges Tun. Was in die eine Richtung verschärft wird in der anderen also nicht sachgerecht entlastet.

Auch der Begriff des Behandlungsfehlers ist genau genommen wenig präzise. Damit ist die gesamte medizinische oder therapeutische Versorgung gemeint, also auch Diagnostik, Nachsorge und Prophylaxe.

Insbesondere für die Psychotherapie gilt, dass der Begriff des Behandlungsfehlers häufig vermieden wird. Es werden ausweichende Bezeichnungen verwendet wie Misserfolg, unerwünschter Verlauf, Störfall. Alles Begriffe, die geeignet sind zu verschleiern, dass hier fehlerhaftes Handeln vorliegt, das geeignet ist, Patienten schweren Schaden zuzufügen.

Diesen gesundheitlichen Schaden kann man nur dann wo möglich vermeiden und wenn das nicht gelingt lindern, wenn man klar benennt, was Hintergrund ist. Verschleiernde Begriff werden wir also hier nicht verwenden. Dass wir dennoch den noch weit gehend unbekannten Begriff des Behandlungsunfalls verwenden und prägen möchten, hat andere Gründe.

Behandlungsunfall

Der erste Grund, den Begriff Behandlungsunfall zu verwenden, liegt darin begründet, dass ein Behandlungsfehler nicht das einzige traumatische Ereignis ist, das im medizinisch-therapeutischen Kontext passieren kann. Auch auf andere Erfahrungen, wie zum Beispiel eine lange oder schwere intensivmedizinische Behandlung oder solche um eine komplikationsreiche Geburt trifft dies zu. Die psychischen Folgen für die Betroffenen können ähnlich sein. Aber auch die Folgen für den Umgang mit den Betroffenen sind sehr vergleichbar. Daher ist eine Trennung hinsichtlich vieler Aspekte nicht sinnvoll.

Der zweite wichtige Grund liegt in großen Auswirkungen auf den Umgang und die professionelle Versorgung nach einem solchen Ereignis. Diese sollte sofort einsetzen, sobald sich ein psychischer Schaden abzeichnet oder auch nur in Frage kommt. Es kann und darf nicht gewartet werden, bis irgendwann irgendwer offiziell festgestellt hat, dass ein Fehler vorliegt. Man enthält so notwendige Hilfe den Patienten vor. (Leider entspricht das der aktuellen Situation)

Der dritte Grund liegt darin, dass der Begriff Behandlungsfehler häufig auf sehr großen Widerstand bei den Handelnden stösst. Fehlerkultur ist noch nicht überall gelebte Praxis und steckt in einigen Bereichen noch in den Kinderschuhen. Dies und andere Ursachen führen dazu, dass Patienten gerade auch in der Folgebehandlung nach einem solchen Ereignis mit Widerstand und Abwehr in verschiedenen Ausprägungen zu tun haben, wenn sie das Problem offen benennen.

Der Begriff Behandlungsunfall ist neutraler und umfassender. Er meint ein – aus Perspektive des Opfers – von außen einwirkendes Ereignis, durch das ein gesundheitlicher Schaden verursacht wird. Eine eventuelle Verursacherfrage spielt im Zweifel eine Rolle, wenn es um materielle Schäden geht. Für die medizinisch-therapeutische Versorgung ist sie nachrangig, wenn nicht irrelevant.

Behandlungstrauma

Auch der Begriff des Behandlungstraumas ist noch nicht sehr weit verbreitet, wenngleich er bereits in der Psychotraumatologie erste Verwendung findet. Daher fehlt es bisher noch an einer klaren Abgrenzung. Letztlich ist aber das Trauma gemeint, das durch ein Ereignis entsteht, was hier als Behandlungsunfall bezeichnet wird.