Die Initiative Behandlungstrauma setzt sich ein für Patientinnen und Patienten, die unter psychischen Folgen von Behandlungsfehlern und anderen schädigenden Ereignissen im medizinisch-therapeutischen Kontext leiden. Diese Patientengruppe wird derzeit kaum gesehen und nur unzureichend versorgt. Aus der Perspektive Betroffener gegründet setzen wir uns dafür ein, dass sich dies ändert. Betroffenen möchten wir erste Informationen bieten und die Möglichkeit, dass wir Erfahrungsberichte sammeln und dokumentieren, um das Problem sichtbar zu machen. Unterschiedliche Professionen, die bereits an dem Thema und mit Betroffenen arbeiten sind herzlich eingeladen, sich zu vernetzen und mit darauf hinzuwirken, dass die Situation für Betroffene sich verbessert. Diese Internetseite ist der erste Schritt.
Was drohen kann, wenn psychisch Erkrankte sich beschweren
PTBS nach Sepsis
Eine Sepsis, allgemeiner bekannt unter dem Begriff Blutvergiftung, ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, bei der das Immunsystem des Körpers auf eine meist zunächst lokale Infektion überreagiert und es zu einer sehr schweren Allgemeininfektion kommt. Die Folge sind unter Umständen schwere physische Schäden an verschiedenen Organen, die schlimmstenfalls auch als Organsystem versagen können. Eine Sepsis stellt die zweithäufigste Todesursache auf Intensivstationen dar. Es kommt zu rund 75.000 Todesfällen jährlich alleine in Deutschland. Betroffen sind Menschen aller Altersgruppen, insbesondere jene mit geschwächtem Immunsystem, beispielsweise nach Operationen, durch Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Krebs.
Die Gesamumstände einer Sepsis nicht zuletzt die potenzielle Lebensgefährlichkeit führen dazu, dass auch die Prävalenz für psychische Folgen hoch sind, hier vor allem PTBS und Depressionen.
Eine jüngst auf dem Kongress des European College of Neuropsychopharmacology veröffentlichte Studie zeigt zum Beispiel für wegen einer Sepsis auf der Intensivstation behandelter Kinder ein deutlich erhöhtes PTBS-Risiko. In einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 4,6 Jahren zeigte ein Drittel Anzeichen einer PTBS, einige noch nach 7 Jahren.
Hierzu auch ein Projekt der Freien Universität Berlin zu einer Online-Therapie für Patienten mit PTBS nach schwerer Sepsis. Hier wird für Erwachsene eine Prävalenz von 70 % für betroffene Erwachsene angegeben, die klinisch relevante Symptome einer PTBS entwickeln, und immerhin noch 62 % für die jeweiligen Lebenspartner.
Patientenbericht Gerd
Ich habe eine Allergie gegen ein Medikament. Davon weiß ich schon seit über 20 Jahren. Mitte der 90er hatte ich meinen ersten allergischen Zwischenfall. Am Anfang war das nicht so schlimm für mich, auch weil ich nicht oft ins Krankenhaus musste. Das hat sich in letzter Zeit geändert. Schon drei Mal ist es in den letzten fünf Jahren passiert,
dass ich das Mittel bekommen habe. Obwohl ich vorher gesagt hatte, dass ich allergisch bin. Beim letzten Mal war das sehr gefährlich und ist gerade so gutgegangen.
Es ist sehr schwer, mit Krankenschwestern und Ärzten darüber zu sprechen. Am Anfang ist das noch in Ordnung. Aber sie verstehen nicht,
wenn ich immer wieder nachfrage, was in der Spritze ist. Oft reagieren sie verärgert. Ein Chefarzt hat mich während der Visite vor allen Leuten angedonnert. Man hätte sich beschwert über mein ständiges Nachfragen. Wenn ich ihm und seinen Mitarbeitern misstraue, könnte ich sofort nach Hause gehen. Seit dem bekommt mich keiner mehr ins Krankenhaus, obwohl ich eigentlich hin muss.
Ich weiß doch, dass die Ärzte und Schwestern viel zu tun haben. Da wird schon mal vergessen, wenn ein einzelner Patient so eine Allergie hat. Aber für mich ist das gefährlich.
Mich belastet das alles sehr, weil ich keinen Ausweg sehe. Seit ich den allergischen Schock hatte, werde ich oft nachts wach mit Luftnot. Ich habe dann Angst, wieder einzuschlafen. Wenn ich noch arbeiten müsste, könnte ich das gar nicht. Zum Glück bin ich schon in Rente.
Ich finde gut, dass Sie für Patienten etwas tun wollen. Es ist auch gut, solche Berichte zu sammeln und veröffentlichen. Vielleicht ändert sich etwas.
Patientenbericht Thorsten
2005 musste ich am Knie operiert werden, weil ich einen Knorpelschaden hatte. Die OP habe ich im Kreiskrankenhaus meiner Heimatstadt machen lassen. Vorher hat man mich da untersucht, aber die OP hat nicht der gleiche Arzt gemacht. Als ich aufgewacht bin, hatten sie mir das falsche Knie operiert. Ein Student, der bei der OP dabei war, sagte mir bei der Blutabnahme, der Arzt hätte gesehen, dass der Knorpel gut aussah. Aber weil das MRT-Bild etwas anderes gezeigt hätte, hätte er den Knorpel rasiert. Der Arzt hat mir gegenüber am nächsten Morgen behauptet, dass der Knorpel an dem anderen Knie auch kaputt gewesen sei.
Eigentlich wollte ich sofort weg, aber das Knie hatte sich entzündet. Ich rief meinen Orthopäden an, der meinte, ich solle unbedingt bleiben, weil ich sonst noch mehr Probleme bekomme. In der kleine Stadt gab es kein anderes Krankenhaus. Ich bin mit entzündetem Knie nach ein paar Tagen entlassen worden. Mit der Entzündung hatte ich mehr als ein halbes Jahr zu tun. Ich war froh, noch einen Arzt zu haben, dem ich vertrauen konnte. Mein Orthopäde wollte den Film sehen, den sie während der Arthroskopie gemacht hatten. Den konnten Sie im Krankenhaus nicht mehr finden, ich hätte das vor der OP sagen müssen, wenn ich eine Aufnahme will.
Als ich sagte, dass ich gegen das Krankenhaus vorgehen wollte, wurde mein Orthopäde wütend. Er hat geschimpft, auch Ärzte könnten mal Fehler machen, ohne Angst haben zu müssen, von Patienten sofort vors Gericht gezerrt zu werden. Er könne einen Patienten, der so gegen Ärzte vorgeht, nicht mehr behandeln.
Bis dahin hatte ich kaum Zeit gehabt, nachzudenken. Als der Arzt so reagierte, ist alles auf mich eingebrochen. Ich habe schlimme Depressionen bekommen. Monatelang bin nicht mehr rausgegangen. Freunde treffen wollte oder konnte ich nicht mehr. Entweder haben sie mich zugeschüttet mit ihren negativen Erfahrungen. Die anderen haben mir Vorwürfe gemacht, weil ich gegen das Krankenhaus geklagt habe. In unserer kleinen Stadt sind irgendwie alle mit dem Krankenhaus verknüpft. Man war ja auf die Hilfe angewiesen, also musste es gut sein. Ich bin dann weggezogen zu meinem Bruder in eine andere Stadt.
Das rechte Knie, das ursprünglich kaputt war, wurde immer schlimmer. Ich konnte mich aber nicht mehr operieren lassen. Irgendwann bekam ich dann auch Probleme in dem anderen Knie. Als ich vor lauter Schmerztabletten schon Magenprobleme bekommen habe, habe ich noch einmal ein MRT machen lassen von beiden Knien. Der Knorpel war fast völlig weg. Das hieß künstliches Gelenk auf beiden Seiten. Für das Gericht wurde ein Gutachten gemacht. Der Gutachter kam zum Ergebnis, dass ich den schlechten Zustand des rechten Knies selbst zu verantworten hätte, weil ich mich nicht hatte operieren lassen. Beim linken Knie sei nicht nachweisbar, dass der Knorpelschaden auf die OP zurückzuführen sei. Dafür könnte es auch andere Ursachen geben. Das Gericht entschied in den meisten Punkten für das Krankenhaus.
Die Depressionen kamen zurück. Zusätzlich Schlafstörungen und heftige Albträume. Als ich mich dann auch noch mit meinem Bruder verkracht habe, weil der nicht verstehen konnte, dass ich weiter klagen wollte, bin ich ganz weggezogen. Wegen der Knie und der Depressionen konnte ich nicht mehr im alten Job arbeiten. Ich hab mir dann irgendwas im Büro gesucht, aber deutlich weniger verdient. Als es nicht besser ging, habe ich eine Therapie angefangen. Die Psychologin war am Anfang ganz OK. Dann hat sie aber angefangen, mich zu manipulieren. Erst hintenrum, dann hat sie es mir direkt gesagt. Mein größtes Problem sei, dass ich mich meinen eigenen Fehlern nicht stellen würde und deshalb die Fehler bei Ärzten suchen würde. Ich sollte die Operation am falschen Knie als Chance begreifen, auf meine eigenen Probleme zu gucken und was mein Anteil sei, dass es so gelaufen ist. Ich habe die Therapie abgebrochen.
Im Moment versuche ich hinzubekommen, dass ich mich wieder operieren lassen kann. Ich will wenigstens keine Schmerzen mehr haben.
Ombudsstelle für Fälle von Missbrauch in ärztlichen Behandlungen
Ein Tätigkeitsbericht über drei Jahre Arbeit der Ombudsstelle in Hessen
Hessisches Ärzteblatt
Warum Patientenschutz oft nicht funktioniert
Als wahnsinnig abgestempelt
Report Mainz
Über die fragwürdige Rolle mancher psychiatrischer Gutachter vor Gericht
Wie unbequeme Kläger mit fragwürdigen Gutachten mundtod gemacht werden
Dieses Thema ist dann besonders brisant für Betroffene, wenn sie tatsächlich unter psychischen Problemen leiden.
Wenn etwas schief geht
Kommunizieren und Handeln nach einem Zwischenfall
Ein anderer Weg, mit Fehlern umzugehen, der für die Psyche erheblich schonender ist.
Schriftenreihe Patientensicherheit Schweiz No. 1
Wenn etwas schief geht (PDF)
Die Therapeutin als Täterin
Süddeutsche Zeitung
Die Therapeutin als Täterin – Über die Schwierigkeiten psychotherapeutisches Fehlverhalten durch die zuständige Kammer verfolgen zu lassen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/missbrauch-therapie-1.4583212